Deutschland

Mautrückerstattung: Viele Fragen

Bei der Mautrückforderung in Deutschland üben Verlader Druck aus. Dabei treten spannende Fragen auf: Wurden Unterfrachtführer eingesetzt? Wurde die Maut in den Offerten separat ausgewiesen? Wir haben die Antworten.

Der EuGH hat in der Rechtssache C-321/19 mit Urteil vom 28. Oktober 2020 ausgesprochen, dass die Lkw-Maut in Deutschland deshalb nicht europarechtskonform ist, da sie gegen die Wegekostenrichtlinie verstößt (wir berichteten). Die Einbeziehung der Kosten der Verkehrspolizei in die Kalkulation der Mautsätze widerspricht EU-Recht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Kosten der Verkehrspolizei in die Berechnung der Mautgebühren in Deutschland mit eingeflossen sind. Derzeit ist noch im anhängigen Verfahren vor dem OVG Münster die tatsächliche Höhe der Mautüberhöhung festzustellen. Man geht derzeit von einer Schätzung von ca. 4 bis 6 Prozent der unzulässigen Überhöhung aus.

Wer darf Maut zurückfordern?

Auf Grundlage des oben genannten Urteils, haben Unternehmen, welche auf deutschen Autobahnen Maut bezahlt haben, rückwirkend für die letzten drei Jahre einen Erstattungsanspruch gegen das deutsche Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Höhe der überbezahlten Mautgebühren. Die Erstattungsansprüche können beim BAG angemeldet werden.

Gegenüber dem (BAG) sind jedoch nur die tatsächlichen Mautschuldner unmittelbar anspruchsberechtigt. Das bedeutet, dass nur jene Unternehmen eine überbezahlte Maut zurückfordern können, die selbst Transporte auf deutschen Autobahnen mit eigenen Lkw durchgeführt und somit direkte Maut bezahlt haben. Somit besteht kein Rückforderungsanspruch etwa für Spediteure ohne eigenen Fuhrpark oder Frachtunternehmen, die sich zur Durchführung des Transports eines Subunternehmers bedient haben.

Auskehren

Mittlerweile treten viele Auftraggeber der „verladenden Wirtschaft“ mit Rückforderungsansprüchen an Spediteure und Frachtführer heran und fordern diese auf, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben und zu erklären, dass die (grob geschätzten) Mautüberhöhungen von 4 bis 6 Prozent an die Auftraggeber „ausgekehrt werden“.

In diesem Zusammenhang ist vorerst zu prüfen, ob der Transport vom Frachtführer bzw. Spediteur tatsächlich selbst durchgeführt und von diesem direkte Maut bezahlt wurde. Wurden die deutschen Autobahnen vom Unternehmer nicht selbst benützt, sondern Unterfrachtführer eingesetzt, welche die Maut schlussendlich abgeführt haben, ist der Unternehmer selbst gar nicht zu einem Rückforderungsanspruch gegen das BAG berechtigt. Somit kann dieser auch gar keine Rückerstattung des BAG für die überhöhte Maut an seinen Auftraggeber bezahlen, da dieser selbst keine Rückerstattung erhält.

Maut separat ausgewiesen?

Weiters ist zu beachten, ob in den Offerten an den Auftraggeber, die Maut separat ausgewiesen wurde. Da dies bei den meisten Unternehmen zu verneinen ist, werden diese als Fixkostenspediteure gemäß § 413 UGB bzw. als Frachtführer zu einem Fixpreis/Pauschalpreis tätig. Bei solch einer Fixkostenvereinbarung, bei der die Maut nicht separat ausgewiesen wurde, besteht meines Erachtens auch keine Verpflichtung der Bezahlung der überhöhten Maut an den Auftraggeber, selbst dann, wenn der Unternehmer selbst eine solche Rückerstattung vom BAG erhält. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Fixkostenvereinbarung derartige Rückforderungen verhindern sollte, auch wenn sich einige Parameter der Kalkulation nachträglich zugunsten oder zulasten des Spediteurs/Frachtführers ändern.

Bereicherungsrecht?

Etwas komplizierter gestaltet sich die Situation, wenn ein Transportunternehmen tatsächlich Transporte auf deutschen Autobahnen selbst durchgeführt hat und somit eine Mautrückerstattung vom BAG erhält oder ein Spediteur vom eingesetzten Subfrachtführer die überhöhte Maut rückerstattet bekommt. Auf den ersten Blick mag es zwar so erscheinen, dass der Auftraggeber einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Auftragnehmer haben könnte, da es zu einer Vermögensverschiebung zugunsten des Auftragnehmers gekommen ist. Allerdings ist auch in solch einer Situation zu prüfen, ob die Maut vom Auftragnehmer in seinem Offert an den Auftraggeber gesondert ausgewiesen wurde. Erfolgte keine solche gesonderte Ausweisung der Maut, so scheidet auch hier der Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers aus.

Keine Verpflichtung

Schließlich ist festzuhalten, dass selbst dann, wenn die Maut durch den Auftragnehmer gesondert ausgewiesen wurde und dieser tatsächlich einen Rückforderungsanspruch gegen das BAG hat, derartige Vermögensverschiebungen sich wahrscheinlich im Bagatellbereich bewegen. In diesem Zusammenhang muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass dem Frachtführer/Spediteur keine Verpflichtung auferlegt werden kann, Ansprüche gegen das BAG geltend zu machen bzw. die Unterfrachtführer zu verpflichten, ihre Ansprüche gegenüber der Republik Deutschland auf eigenes Risiko und Kosten geltend zu machen.

Zusammengefasst besteht somit in den meisten Fällen kein Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers gegen seinen Auftragnehmer, da dieser entweder selbst gar keinen Rückerstattungsanspruch gegen das BAG hat oder die Maut von diesem nicht separat ausgewiesen wurde.

Verjährung

Abgesehen von den oben dargelegten rechtlichen Argumenten, die gegen einen Rückforderungsanspruch der jeweiligen Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer bereits dem Grunde nach sprechen, muss auch die Zeitschiene im Zusammenhang mit der Verjährungsproblematik beachtet werden: Da es sich bei den ausgeführten Transporten meist um internationale Straßengütertransporte handelt sind auf diese die Vorschriften der CMR anwendbar.

Die Verjährungsbestimmungen des Artikels 32 beziehen sich auf alle Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung (Art. 32 Abs. 1 CMR). Ein Rückforderungsanspruch (allenfalls zu viel gezahlter Maut) muss somit ebenfalls der Verjährungsfrist der CMR unterliegen. Die Verjährungsfrist der CMR beträgt im Regelfall ein Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt in allen Fällen (außer im Falle von Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist) drei Monate nach Abschluss des jeweiligen (einzelnen) Beförderungsvertrages. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die internationalen Straßengütertransporte Teil einer multimodalen Beförderung sind.

Ausgehend vom Datum der jeweiligen Beförderungsverträge müssten somit alle Ansprüche nach 15 Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Beförderungsvertrages, bereits verjährt sein und in weiterer Zukunft sukzessive verjähren. Auch dadurch reduziert sich der Anspruchszeitraum bereits jetzt enorm und wird sich künftig sukzessive weiter reduzieren.

Empfehlungen

Abschließend ist festzuhalten, dass es keine klarstellende höchstgerichtliche Entscheidung zu einem ähnlichen Fall gibt. Es wird daher Neuland betreten. Aus den aufgezeigten rechtlichen Erwägungen heraus ergeben sich – aus derzeitiger Rechtsansicht – Empfehlungen, die im Kasten „Auf einen Blick“ zusammengefasst wurden! Wichtig: Geben Sie keine Verjährungsverzichtserklärungen oder andere Haftungserklärungen im Zusammenhang dieser Mautproblematik gegenüber einem Auftraggeber ab.

Dr. Dominik Schärmer
Dr. Dominik Schärmer
Dr. Dominik Schärmer kennt wie kaum ein anderer die Zusammenhänge, die Abläufe und auch die ungeschriebenen Gesetze im Transportgeschäft. In „Der Österreichische Transporteur“ berichtet er monatlich über aktuelle Praxisfälle.