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UKRAINE-KRISE

Sackgasse Seidenstraße?

Sackgasse Seidenstraße? WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr über die weitreichenden Folgen des Ukraine-Konflikts. | © Alexander Müller

„Die Ukraine wird wirtschaftlich gerade ausradiert: Viele Industrien und Wirtschaftszweige werden komplett zerstört, die Agrarwirtschaft kommt zum Erliegen. Dazu kommen die Sanktionen gegen Russland, die den Finanzmarkt, die Lieferketten und langfristig auch den Fachkräftemangel nachhaltig beeinflussen werden“, sagte Prof. Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), bei der Pressestunde des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation (IFWK) Ende März in Wien. „Es wird ein massives Decoupling der Weltwirtschaft mit China und Russland geben, und dafür braucht es innereuropäische Kompensation. Europa hat nun regional riesige Chancen, eine Wende gegen die Abhängigkeiten von diesen Staaten herbeizuführen.“

„Die neue Seidenstraße ist aktuell über den Landweg durch Russland nicht mehr betreibbar. Dadurch verlieren wir die dringend notwendigen Produktivitätsgewinne.“

WIFO-CHEF gabriel felbermayr

Durch dieses Decoupling seien auch neu entstandene und gut funktionierende Importwege nach Europa nicht mehr zugänglich, erklärte Felbermayr weiter: „Zum Beispiel die neue Seidenstraße von China nach Europa, die ein großes Entwicklungspotential hatte, ist aktuell über den Landweg durch Russland nicht mehr betreibbar. Dadurch verlieren wir die dringend notwendigen Produktivitäts-gewinne. Die Hoffnung ist allerdings, dass wir die Verluste jetzt innereuropäisch kompensieren können.“ Denn es gebe in Europa großes Potential, vor allem die Energiemärkte betreffend. Und es wäre dringend an der Zeit, einen europäischen Arbeitsmarkt zu schaffen und es Fachkräften nicht noch schwerer zu machen, innerhalb Europas in verschiedenen Ländern zu arbeiten.

Wirken Sanktionen gegen Russland zu gut?

„Die Sanktionen gegen Russland wirken überraschend gut“, so Felbermayr. „Alle jene, die sagen, es störe den Kreml nicht, wenn Europa kein Erdöl und Gas mehr kauft, liegen falsch. Wenn ein Staat Exporteinnahmen im Ausmaß von zehn Prozent seiner Wirtschaftskraft verliert, schmerzt das sehr.“ Die Abhängigkeit sei aber natürlich eine beidseitige: „Zum einen fehlen uns die Alternativen zu vielen Rohstoffen, die wir aus Russland beziehen und zum anderen braucht Russland Europa für seine Pipelines. Denn die einfach so zu schließen und über andere Wege Gas zu exportieren, ist zeitlich und finanziell nicht möglich.“

Russland reagiere auf die westlichen Sanktionen durchaus geschickt, denn die russischen Gas- und Ölexporteure müssen den Zahlungsverkehr auf Rubel umstellen: „Das ist ein Problem für Europa. Denn das Beschaffen von Rubel ist nicht einfach, nachdem die russische Zentralbank mit Sanktionen belegt wurde. Außerdem ist der Rubel keine Reservewährung, die wir in anderen Ländern und Banken vorrätig haben und wir brauchen große Mengen“, so der Wirtschaftsforscher. „Da haben wir uns möglicherweise in eine Sackgasse manövriert.“ Die kurzfristige Folge ist, dass der Rubel deutlich aufgewertet hat und der Gaspreis wieder zulegt. Ob Russland und auch die Gazprom diesen erwarteten, 100-prozentigen Rubelzwang so durchziehen kann, ist fraglich. Es müssten dafür auch bestehende Verträge mit Käufern gebrochen werden, denn die Währung sei ein wesentliches Detail in den Vereinbarungen mit den Unternehmen, ergänzte Felbermayr.

Kommunikation als manipulativer Sprengstoff?

Kommunikationsexperte und IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer gab in der Diskussion zu bedenken, dass es in Krisenzeiten besonders auf unabhängige und neutrale Berichterstattung ankommt: „Schon bei früheren Konflikten, aber auch in der Pandemie und jetzt in der Ukraine-Krise zeigt sich, wie manipulativ Kommunikation eingesetzt wird. Glaubwürdige Kommunikation ist jetzt mehr denn je gefragt. Regierungen und Medien sollten die Waffe der Manipulation nicht als zusätzlichen Sprengstoff einsetzen.“ Denn in Zeiten von Krieg und Propaganda sinke ohnehin das Vertrauen der Menschen in die Medien rapide ab. In der Krise müsse man daher umso mehr aufpassen, wie man berichtet, um die Unsicherheiten der Menschen nicht noch zusätzlich zu schüren.


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