Wer haftet dazwischen?

Eine Zwischenlagerung und eine Abladung aufgrund eines Ablieferhindernisses ist nicht dasselbe. Davon hängt auch ab, ob der Frachtführer für daraus entstandene Schäden haftet oder nicht.

In einer brandaktuellen Entscheidung (7Ob81/20t) beurteilte der Oberste Gerichtshof den Unterschied zwischen einer Abladung aufgrund eines Ablieferhindernisses und einer Zwischenlagerung. Von dieser Unterscheidung hängt schließlich auch die Frage ab, ob der Frachtführer für Schäden im Zuge der Zwischenlagerung haftet.

Obhutshaftung des Frachtführers

Gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für Verluste oder Beschädigungen des Gutes die zwischen der Übernahme und der Ablieferung eintreten. Der Frachtführer ist daher für Schäden an der Ware verantwortlich, solange er das Gut in seiner Obhut hat (OGH 6 Ob 257/07y). Die Übernahme liegt vor, wenn der Frachtführer oder einer seiner Gehilfen (Art. 3 CMR) willentlich die Gewahrsame mittelbar oder unmittelbar am Gut zum Zwecke der Beförderung in Ausführung des Frachtvertrages übernimmt (OGH 3 Ob 132/06t).

Ende des Obhutszeitraums

Wie die Übernahme ist auch die Ablieferung ein zweiseitiger Akt, die der Mitwirkung des Empfängers bedarf (RIS-Justiz RS0062704). Die Ablieferung setzt somit die Mitwirkung sowie das Wissen und den Willen des Empfängers voraus, das Gut in seine mittelbare oder unmittelbare Gewahrsame zu übernehmen. Ein bloßes Abladen des Guts ohne Vorliegen eines Ablieferhindernisses, führt daher nicht zur Beendigung des Obhutszeitraumes.

Der Ablieferungsvorgang ist daher abgeschlossen, wenn ein Verhältnis hergestellt wird, das dem zur Entgegennahme bereiten Empfänger die Einwirkungsmöglichkeit auf das Gut einräumt (RIS-Justiz RS0074012). Mit der erfolgten Ablieferung des Guts, ist der Haftungszeitraum des Frachtführers beendet und trifft den Frachtführer somit keine Haftung für Schäden oder Verluste, die nach diesem Zeitpunkt eintreten.

Die ordnungsgemäße Ablieferung des Guts hat im Gegensatz zur Übernahme des Guts, der Frachtführer selbst zu beweisen (OGH 6 Ob 75/06g). Die Unterschrift des Empfängers am CMR-Frachtbrief stellt einen widerlegbaren Beweis für die erfolgte Ablieferung dar.

Ablieferhindernis

Im Hinblick auf die Ablieferung stellt sich die Frage, wie der Frachtführer vorzugehen hat, wenn ein Ablieferhindernis vorliegt. Gemäß Art. 16 Abs. 2 CMR kann der Frachtführer in den in Art. 14 Abs. 1 und in Art. 15 CMR bezeichneten Fällen das Gut sofort auf Kosten des Verfügungsberechtigten ausladen, wobei nach dem Ausladen die Beförderung als beendet gilt. Der Frachtführer hat das Gut dann entweder selbst oder bei einem Dritten zu verwahren.

Kommt es somit im Zuge des Transports zu einem Ablieferhindernis, etwa weil die Annahme der Ware durch den Empfänger verweigert wird oder die Ablieferung schlicht unmöglich ist, so kann der Frachtführer das Gut sofort auf Kosten des Verfügungsberechtigten ausladen.

Nach der herrschenden Ansicht ist der Frachtführer sofort zur Ausladung berechtigt, ohne vorher Weisungen einzuholen, wenn ein Ablieferungshindernis vorliegt (OGH 3 Ob 132/06t; Temme in Thume CMR2 Art 15 Rz 10). Der Frachtführer ist jedoch bei der Ausladung dazu verpflichtet, unverzüglich den Verfügungsberechtigten zu informieren und dessen Weisungen einzuholen.

Mit dem Abladen, aufgrund eines Ablieferhindernisses ist der Frachtvertrag und damit der frachtvertragliche Obhutszeitraum beendet. Die Bestimmung des Art. 16 Abs. 2 CMR ist so auszulegen, dass der Frachtführer beim Ausladen des Guts den Willen haben muss, die Beförderung bis zum Einlangen von Weisungen zu beenden (OGH 7 Ob 124/13f; RS 0116487).

Unterschied

Bei einer Zwischenlagerung ist nach dem Inhalt des konkreten Frachtvertrags zu beurteilen, ob diese noch zur Ausübung des Frachtvertrags zählt und damit in den Obhutszeitraum nach Art. 17 CMR fällt oder aufgrund eines gesonderten Lagervertrags erfolgt (OGH 3 Ob 132/06t).

Wurde mit dem Frachtführer somit in einem Frachtvertrag vereinbart, dass er das Gut von der Abholstelle zu einem Zwischenlager transportiert und es in weiterer Folge zu dem Empfänger bringt, ohne dass für die Lagerung ein gesonderter Vertrag geschlossen wurde, so erstreckt sich der Obhutszeitraum des Frachtführers auch auf diese Zwischenlagerung.

Wird der Frachtführer hingegen lediglich mit dem Transport von der Beladestelle zum Zwischenlager beauftragt, so ist der Obhutszeitraum mit der Ablieferung im Zwischenlager beendet.

Problematisch gestaltet sich die Situation jedoch dann, wenn die Ware aufgrund eines Ablieferhindernisses sofort in einem Zwischenlager abgeladen werden muss.

Hierbei kommt es darauf an, ob der Frachtführer beim Ausladen des Guts den Willen hatte, die Beförderung bis zum Einlangen von Weisungen zu beenden. Deshalb fallen Zwischenlagerungen, die auf Beförderungs- oder Ablieferungshindernisse zurückzuführen sind, nicht in den Haftungszeitraum des Art. 17 Abs. 1 CMR (1 Ob 2357/96s; RS0073756).

Ist dagegen die Zwischenlagerung in den Beförderungsvertrag eingebettet, unterfallen transportbedingte Zwischenlagerungen nicht in Art. 16 Abs. 2 CMR, sondern verbleiben im Obhuts- und damit Haftungszeitraum des Frachtführers (OGH 7 Ob 124/13f).

Fazit

Ist somit vereinbart, dass ein Transport nach der Zwischenlagerung fortgesetzt wird, so ist der Obhutszeitraum des Frachtführers mit der Zwischenlagerung nicht beendet. Wenn die Ware jedoch aufgrund eines Ablieferhindernisses in einem Zwischenlager abgeladen wird, so ist der Obhutszeitraum mit der Abladung beendet.

Dr. Dominik Schärmer
Dr. Dominik Schärmer
Dr. Dominik Schärmer kennt wie kaum ein anderer die Zusammenhänge, die Abläufe und auch die ungeschriebenen Gesetze im Transportgeschäft. In „Der Österreichische Transporteur“ berichtet er monatlich über aktuelle Praxisfälle.